Das Erscheinen eines neuen Locas In Love-Albums ist eine Offenbarung. Denn statt Ärger steht wieder Lob ins Haus und so präsentier...

Locas In Love - Lemming



















Das Erscheinen eines neuen Locas In Love-Albums ist eine Offenbarung. Denn statt Ärger steht wieder Lob ins Haus und so präsentieren uns Locas In Love um Björn Sonnenberg mit LEMMING (Staatsakt./Rough Trade) ihr drittes reguläres Album. Zunächst einmal steht fest: Wenn man ganz grundsätzlich Musik mag, kommt man mit Lemming auf seine Kosten. Über ihren neuesten Output läßt sich so manches sagen.

Klar, zwar sind die Locas immer noch unverwechselbar ihrer Bandphilosophie treu geblieben und zehren von dem über die vielen Jahre entstandenen und für sie so typischen Stil - dennoch funkeln diese mit viel positiver Lebensenergie gespickten Songs dank ihrer reichhaltigen Melodik und dem insgesamt sehr freundschaftlichen Charakter über die volle Distanz der Platte. Die ca. 20 Songs , die subjektiv leider eher nicht an die Standards von Silly heranreichen sind allesamt herrliche Melodien, eine raue Stimme, dreckige Instrumente, tolle Chöre und vor allem mächtige Power! Abgerundet wird das bemerkenswert vielseitige Werk dann mit einer fast zehnminütigen Folk-Mantra-Improvisation, wie man sie in dieser Form auch noch nicht von den Geschwistern gehört hatte und so muß man wirklich feststellen, daß Locas In Love ihrer Rolle als Hoffnungsträger der Stunde nicht mit dem nötigen Ernst begegnen. Im Jahr 2011 und mit Lemming gilt auch nach wie vor insbesondere für Gitarrist und Produzent Jan Niklas Jansen, daß die Arrangements fast noch mehr provozieren als man gewagt hätte zu erwarten. Auch ohne die (Selbst-) Referentialität hat das Album allen einen gehörigen Schrecken eingejagt. Die Band und ihre Musik kann deutsches Liedgut voller Melancholie und träumerischer Romantik sein, von einer gefühlvoll soulig-jazzigen Stimme vorgetragen werden und dennoch hart am Leben segeln und sind gerade deshalb schwer zu durchschauen, und gleichzeitig lässig.

Lemming - Take me with you.

Ertappt, die Kritik ist nicht von mir. So gute Plattenkritiken habe ich noch nie geschrieben, das kann ich nämlich nicht. Bei mir sind Einschätzungen zu CDs meist digitale Entscheidungen: gefällt mir oder gefällt mir nicht. Der Rest ist Synonymsuche.

Der obige Bericht stammt vom Lemming Review-Roboter, einem kleinen Tool auf der Locas In Love Website, mit dem man Berichte erstellen kann. Eigentlich wollte ich nicht zugeben, daß ich beim Review geschummelt habe, der Roboter ist aber eines der vielen schönen Beispiele dafür, wie viel Detailverliebtheit in allem steckt, was mit Locas In Love zu tun hat. Da gibt es Weihnachtskonzerte der Band, die um 19 Uhr angesetzt werden, damit die Gäste auch noch eine Bahn nach Hause bekommen, wundervolles, selbstgebasteltes Artwork der grandiosen Winter-LP (mit getrocknetem Laub), da werden die fabelhaften Coverversionen, die live gespielt werden, später veröffentlicht und auf den Dank dafür geantwortet: das hattest du dir doch gewünscht. Locas In Love sind eine Band, wie man selbst sie machen würde, wenn man Talent hätte.

Lemming ist das dritte (reguläre) Album der Kölner und der Nachfolger von Saurus (2007) - und es ist ein großer Wurf (da ist er wieder, der Roboter). Die Kritiken der letzten Freitag erschienenen Platte sind hervorragend:

»Lemming« hat die besten Liebeslieder, die besten Protestsongs, alles so leicht und gewitzt, als wäre das kleines Einmaleins. Dazu Zitate, die viel besser als nur Zitatpop funktionieren, nämlich auf der vollen Klaviatur der Emotionen von zart bis hart. Sagen wir es einfach: das beste unprätentiöse deutschsprachige Indie-Pop-Album seit vielen Jahren. Nageln Sie mich darauf fest (Christian Steinbrink // intro)

Welt, wappne Dich! Demnächst erscheint mein diesjähriges deutschsprachiges Lieblingsalbum. Ja, das kann man so ruhig mal schreiben. Auch und gerade, weil ich sonst nicht der größte Fan von Jetzt-schon-das-beste-Album-des-Jahres-Verlautbarungen bin. Aber die Tatsache, dass ich mich im vorliegenden Fall doch einmal hinreißen lasse, sagt viel über meine Liebe zu diesem Album aus (Eric Pfeil // FAZ)

Wenn Popautoren wie Eric Pfeil oder Josef Winkler schon seit Jahren einigermaßen euphorisiert von einer ganz bestimmten Musikgruppe berichten, dann hat dies gute Gründe (Jan Wigger // Spiegel - 8/10)

Ich würde ohnehin nie wagen, solchen Kritikerpäpsten zu widersprechen, hier unterlasse ich es aber von Herzen und reinen Gewissens, da Lemming so gut ist, wie es hier anklingt. Elf Lieder, die nicht alle beim ersten Hören ihre Stärke zeigen, wie das beispielsweise die (Elektropop) Single An den falschen Orten tut. Aber irgendwann zeigen sie die alle, und es wird sehr deutlich, daß keines der Lieder Füllmaterial ist. Da ist Auto Destruct, das leise beginnt und langsam schneller und lauter wird und in einigen irren Noiseausbrüchen mündet. Der größte Knüller des Stücks ist aber der kleine "ah ah ah" Gesang von Bassistin Stefanie Schrank. Oder das anfangs so harmlos klingende vierte Stück, das wie ein Schlaflied beginnt, bevor der Text einsetzt: Ach mein Liebling, mein bester Freund, es ist alles wirklich so schlimm wie es scheint. Spoiler Warning, dessen Musikzitate immer genannt werden, endet in einem fabelhaften Chorgesang. Und dann am Ende ein ganz ruhiges und sehr schönes Die zehn Gebote.

Und warum wird wieder nicht jeder Lemming lieben?

Die einfache Antwort wäre: weil Locas In Love auf Deutsch singen. Aber das ist nicht alles. Die Stimmen der beiden Sänger Björn und Stefanie passen für mich wunderbar zu einander und zu den Liedern. Viele mögen die aber nicht. Vor allem Stefanies Stimme klingt vielleicht zu piepsig am Anfang. Das scheinbar Naive, in Kombination mit bitterbösen Texten, ist aber ein ziemlicher Knüller.

Ungewohnt ist auch die Art, wie Texte und Melodien aufeinander treffen. Oft passt da nicht alles auf Anhieb, also wird dann immer mal wieder die natürliche Sprachmelodie aufgegeben, damit die Texte in die Melodiepassage passen. Das klingt anders als im Radio. Aber ich lese auch lieber Bücher als die Bunte.

Vor drei Jahren bei Saurus hieß es hier in einer Kritik
Also find ich es langweilig, den Gesang billig und die Melodien meist wenig ergreifend. Und die Texte? Äh naja

Dem möchte ich nur ein Zitat aus dem ersten Lied entgegenstellen
Das Licht am Ende des Tunnels ist ein Zug

7 Kommentare:

  1. Zustimmung aus vollem Herzen!
    Hier schon selbst ein Formulierungsversuch:

    http://innrunde.de/index.php?option=com_content&task=view&id=418&Itemid=57

    Gudrun aus Karlsruhe

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  2. Mit Verlaub
    "vor drei Jahren bei Saurus hieß es hier in einer Kritik

    Also find ich es langweilig, den Gesang billig und die Melodien meist wenig ergreifend. Und die Texte? Äh naja"

    Das liest sich eigentlich nicht wie eine Kritik sondern wie irgendein Forumsbeitrag aus dem Internet.
    Die Kritiken waren doch auch zu Saurus schon sehr euphorisch.

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  3. Schön, wenn sich alle einig sind. Mir als absolutem Deutschpop/rock Aficionado erschließt sich weiterhin nicht, was an dieser Band (und ihren Ablegern) so spektakulär ist, wenn gleichzeitig solche Alben wie vor zwei Jahren das Mikroboy Debüt z.B. komplett untergehen. aber wahrscheinlich ist das dann zuuu eingängig und befindlichkeitsfixiert. Irgendwie habe ich den Eindruck, damit irgendetwas deutschsprachiges überhaupt goutiert werden kann, muss es immer irgendwie spröde sein, wenn nicht im Gesang, dann in der Instrumentierung (oder umgekehrt)
    Hier das ist ok (mit durchaus Höhepunkten), mehr nicht

    6,5

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  4. Auch bei mir will sich die Euphorie nicht so recht einstellen.
    Ich habe alle Scheiben auf Vinyl, weil ich atsächlich glaube, daß dies besser klingt.
    Tut es auch. Aber, ich stelle mir beim hören mittlerweile wirklich die Frage, ob es sehr schwierig ist, die Texte zu schreiben, die sich NICHT reimen. Wenn sich etwas reimt, dann klingt dies so, als wäre es aus Vesrehen, und ließe sich nicht verhindern.
    Vielleicht fehlt mir dann doch der intellektuelle Zugang. Ich finde, die Lemming hat die weitaus beste Werbung bekommen, kommt aber bei weitem nicht an "Winter" heran. Weder musikalisch, noch textlich. Auch finde ich z.B. den Gesang bei "Una Questa" teilweise peinlich. In solche Höhen sollte man sich nur wagen, wenn man die Töne halten kann.
    Fazit: ich geb mir Mühe, die Platte toll zu finden, schaffe es aber nur zu "ganz OK"

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  5. Die Platte kriegt mich. Warum kann ich nicht so gut erklären. Es liegt aber auch an den Texten. Deshalb 8 Punkte von mir.

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  6. Und noch einmal eines der Alben des Jahres. 9 Punkte

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  7. Es ist nicht alles wirklich so schlimm wie es scheint.

    7 Punkte

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